Entgegen der Annahmen vieler, sind die modernen Europäer ein bunt gemischtes Völkchen, das aus der Verschmelzung von weit entfernten Volksgruppen – sprich durch Einwanderung – entstand: Schon vor dem Ende der Eiszeit, wanderten afrikanische Frühmenschen vom Typ Homo Sapiens in Europa ein, wo sie auf den Neandertaler stießen. Kriegerische Auseinandersetzungen zwischen beiden Menschentypen gab es anscheinend keine. Der Neandertaler verschwand wohl nach dem Auftauchen des Homo Sapiens aufgrund einfacher evolutionärer Gesetzmäßigkeiten: der Homo Sapiens war anscheindend früher geschlechtsreif und zeugte so mehr Nachkommen. Zudem wird eine geringere Sterblichkeit des Homo Sapiens und dessen breiteres Nahrungsspektrum für dessen spätere Dominanz diskutiert.
Der Neandertaler hat uns aber ein genetisches Erbe hinterlassen. Ca. 2% seiner Gene haben wir von ihm übernommen. D.h. während der 5000-jährigen Ko-Existenz beider Menschentypen in Europa, muss es zu einer Vermischung beider Typen gekommen sein. Damit so ein Genaustausch überhaupt heute noch nachweisbar ist kann diese Vermischung nicht das Ergebnis von 1-2 One-Night-Stands gewesen sein. Es muss eine echte Integration stattgefunden haben – eine lange Affäre.
Die Gene und somit das Erbe, das uns die Neandertaler hinterlassen haben, betreffen vor allem die Haut und die Haare. Möglicherweise deshalb, da „dickere“ Haut und ein „dichteres“ Haarkleid einen besseren Schutz vor der hier herrschenden Kälte boten, und diese Relikte daher im Genom der aus Afrika eingewanderten Menschen überdauerten. Hingegen ist der Grund für die „Überdauerung“ eines Gens, das für die Pigmentierung der Haut mit verantwortlich zeichnet, und unsere hellere Hautfarbe mitbestimmt, noch nicht ausdiskutiert.
Zu all diesen Genen kam jetzt im letzten Jahr noch eines hinzu. Jede dritte Frau in Europa hat ein Gen des Neandertalers geerbt, das ihre Fruchtbarkeit erhöht. Es handelt sich hierbei um ein Gen, das für einen Rezeptor für Progesteron (des Gelbkörperhormons) codiert. Die „Neandertalvariante“ dieses Gens wird nun mit einer erhöhten Fruchtbarkeit, weniger Blutungen zu Beginn der Schwangerschaft und weniger Fehlgeburten in Verbindung gebracht. Auch bringen diese Frauen im Schnitt mehr Kinder zur Welt. Die Variante scheint zu bewirken, dass mehr der Rezeptoren in den Zellen produziert werden, daher kann das Progesteron besser wirken, und somit seine Funktion zum Schutz vor frühen Fehlgeburten und Blutungen besser ausüben.
Diese Analysen zeigen, dass jedes Volk wohl immer das Beste für die nachfolgenden Generationen hinterläßt, wenn es auch auf den ersten Blick nicht offensichtlich ist.
Quellen:
- Nature, 2014; doi: 10.1038/nature12961;
- Science, doi: 10.1126/science.1245938
- Molecular Biology and Evolution, 2020, doi: 10.1093/molbev/msaa119