oder die „verkannte Heldin“ (leicht veränderte Fassung aus der Philatelia Medica PM 197 /Juni 2020; Inhaltsverzeichnisse: www.medizinphilatelie.de)
Wenn man an die Entdeckung der Desoxyribonukleinsäure (DNS) – der Trägersubtanz unserer Erbsubstanz – denkt, werden oft nur die Namen James Watson und Francis Crick genannt und deren Entdeckung auf das Jahr 1953 datiert. Die beiden bekannten Wissenschaftler haben aber „nur“ die Gunst der Stunde genutzt und bereits bekanntes Wissen in eine Theorie zur Struktur der DNS zusammengefügt.
Alles begann im Jahr 1869, als der Schweizer Chemiker Johann Friedrich Miescher eine phosphorhaltige Substanz in Zellen findet, die sich von Proteinen unterscheidet. Er gibt dieser Substanz den Namen Nuklein, später wird sie Nukleinsäure genannt. Die chemische Zusammensetzung dieser Nukleinsäure wird erst 1919 durch den Biochemiker Phoebus Levene bestimmt, und zwar, dass Nukleinsäuren Moleküle sind, die aus Phosphor, Zucker und vier stickstoffhaltigen Basen – Adenin (A), Guanin (G), Cytosin (C) und Thymin (T) – bestehen. 1944 weisen Oswald Avery, Colin MacLeod und Maclyn McCarty vom Rockefeller Institute in New York nach, dass DNS die Substanz ist, die die Erbinformationen weitergibt und kurz vor der Strukturaufklärung weist Erwin Chargaff die Regeln der Basenpaarung nach: Adenin mit Thymin und Cytosin mit Guanin.
Zur gleichen Zeit forscht auch Rosalind Franklin am Kings College zusammen mit ihrem Doktoranden Raymond Gosling an der Aufklärung der Struktur der DNS mittels Röntgenstrukturanalyse.
Franklin entstammt einer wohlhabenden Familie – und muss sich schon im Studium am Newham-College der Universität Cambridge mit Vorurteilen gegen Frauen in den Wissenschaften herumschlagen. Sie untersucht zu-nächst an der British Coal Utili-sation Research Association die Struktur von Kohle, im Krieg ein wichtiges Forschungsgebiet. Danach arbeitet sie in Paris an Kohlenstoff. Inzwischen ist sie eine weltweit anerkannte Expertin der Röntgenstrukturanalyse.
Als sie in ihre britische Heimat – an das King’s College in London – zurückkehrt, muss sie sich gegen ihren Kollegen Maurice Wilkins durchsetzen, der sie nicht als ebenbürtige Wissenschaftlerin, sondern als seine Assistentin betrachtet. In London hat sie die Aufgabe, die Struktur der DNS zu erforschen. Wilkins hat Kontakt zu Watson und Crick, die anhand von Informationen, die sie aus einem Vortrag von Franklin am King’s College gewonnen hatten, im Jahre 1952 ein Modell entwickeln, das aus drei Spiralketten besteht. Dieses Modell können sie aber experimentell nicht belegen und benötigen hierzu das Wissen von Franklin. So kam es auch zu einem Treffen zwischen den Vieren, das aber mit der Abreise von Franklin endet. Sie ist noch nicht zu einer Modellaufstellung bereit, da ihr die empirischen Daten noch nicht ausreichen. Damit ist die Zusammenarbeit zwischen ihr und Watson und Crick beendet.
Wilkins macht jedoch mit ihnen weiter – und jetzt fängt der unschöne Teil an. Er kopiert die Unterlagen von Franklin und stellt insbesondere das Röntgen-Beugungsbild Nr. 51 Watson und Crick zur Verfügung. Diese nutzen dieses Bild um ihr Modell der Doppelhelix für die DNS zu untermauern und zusammen mit Informationen, die sie aus einem eigentlich vertraulichen, unveröffentlichten Forschungsbericht von Franklin ziehen, schaffen sie es 1953 das Modell der Doppelhelix zu veröffentlichen. Immerhin wird Franklin noch in einer Fußnote erwähnt. Aufgrund des Eingreifens ihres Chefs am King´s College wird jedoch auch die Arbeit von Wilkins und Franklin parallel zur Arbeit von Watson und Crick publiziert. Dies war deshalb möglich und wichtig, da erst Franklin und Wilkins die ansonsten rein theoretische Arbeit von Watson und Crick experimentell bestätigen. Interessanterweise scheint Franklin diese „Ausbootung“ bzw. den Datenklau bzgl. der Publikation der Struktur der DNS zumindest Crick nicht übel zu nehmen, da sie mit diesem weiterhin einen regelmäßigen und freundlichen Briefkontakt hat.
Direkt nach der Veröffentlichung wechselt Franklin zum Birkbeck College. Das King’s College darf sie nur unter der Bedingung verlassen, nicht mehr an der DNS zu arbeiten. Was sie auch tut und sich der Struktur des Tabakmosaikvirus zuwendet, über das sie mehrere Artikel veröffentlicht. So weist sie nach, dass das Tabakmosaikvirus nicht kompakt, sondern röhrenförmig als Helix kristallisiert. Hier arbeitet sie eng mit ihrem Mitarbeiter Aaron Klug zusammen, der 1982 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet wird. Das Wissen um die Struktur des Virus ermöglichte es anderen Wissenschaftlern, in den frühen Tagen der Molekularbiologie voranzukommen und das TMV als Modell zu nutzen, um den genetischen Code zu knacken. Sie war ein globales Bindeglied in den boomenden Anfängen der Erforschung von Virusstrukturen: eine Expertin für pathogene Viren, die einen internationalen Ruf erlangt hatte und der es sehr am Herzen lag, ihre Forschung zu nutzen.
Im Herbst 1956 wird bei Franklin Eierstockkrebs diagnostiziert, an dem sie im April 1958 stirbt. Die Anerkennung ihrer maßgeblichen Beiträge zur Entdeckung der Doppel-helix bleibt ihr lange verwehrt. Der Nobelpreis wird für diese Arbeiten im Jahr 1962 an Watson, Crick und Wilkins vergeben – sie erhielt ihn nicht, da dieser Preis nicht posthum vergeben wird. Regeln sind Regeln: aber eine Erwähnung ihres Beitrags zur Entdeckung der Struktur unserer Erbsubstanz zumindest in der Dankesrede der Laureaten, wäre angebracht gewesen. Sie wurde jedoch mit keinem Wort erwähnt.
Deshalb bin ich persönlich auch sehr froh, dass sie jetzt auf einer Briefmarke zu ihrem 100. Geburtstag gerade für diese Arbeit geehrt wird. Nach den vielen Ehrungen für ihre Kohle- und Virenforschung ist dies eine Anerkennung ihrer Arbeiten auf dem Feld der Genetik. Insbesondere, da sie sich nie öffentlich beklagt hat, dass sie die ihr zustehende Anerkennung diesbezüglich nicht erfuhr. Denn eigentlich war sie es, die mit ihrem Bild 51 den empirischen Beweis erbrachte, dass die DNA eine Doppelhelix ist.
Quellen: wikipedia.org / 4.4.2020; Karikatur von commons.wikimedia.org; copyright für Briefmarken liegt bei den jeweiligen Postgesellschaften; https://www.spektrum.de/kolumne/rosalind-franklin-mehr-als-die-verkannte-heldin-der-dna-analyse/1753876