Mitte dieses Monats wurde im Deutschen Bundestag über die gesetzlichen Modalitäten der Organspende abgestimmt. Zu meinem Erstaunen – am Anfang war es fast schon etwas wie Entsetzen – hat sich eine Mehrheit gegen die Widerspruchslösung ausgesprochen (397 dagegen, 292 dafür). D.h. es bleibt wie es ist. Nur wenn ich explizit einer Organentnahme zu Lebzeiten zustimme, gelte ich auch als Organspender/in (Entscheidungslösung) und nicht umgekehrt (Widerspruchslösung).
Ich habe zwar seit 2002 bereits einen Organspendeausweis, aber nicht, weil ich anhand von Information durch Regierung, Krankenkassen oder Ärzten darauf gekommen bin, sondern weil ich mich aktiv danach erkundigt habe. Das soll sich ja jetzt ändern. Aber glaubt irgendjemand auch nur wirklich daran, dass – wenn die Einzelperson alle 10 Jahre beim Passverlängern an die Möglichkeit der Organspende in einer Zeile mit einem Kreuz erinnert wird – , sich die Zahl der Organspender erhöht? Oder glaubt auch nur einer wirklich daran, dass die Flyer beim Arzt daran was ändern? Ich glaube nicht daran. Warum hat sich dann die Anzahl der Organspender in Deutschland im letzten Jahr nicht erhöht, wo, aufgrund einer möglichen Änderung der Gesetzeslage, Organspende in allen Medien thematisiert wurde. Im Gegenteil!
[ngg src=“galleries“ ids=“22,23″ display=“basic_slideshow“ thumbnail_link_text=“Briefmarken zum Thema Organspende 1968 – 2006″]Ich verstehe einfach die Argumentation der „Gegenseite“ nicht. Und da merke ich jetzt, dass dies doch ein sehr emotionales Thema ist. Es geht um Freiheit, Selbstbestimmung. In der Tat sind diese Begriffe / Konzepte nicht zu verallgemeinern: jeder einzelne von uns hat da so seine eigene Vorstellung was Freiheit ist, wie weit sie geht. Und somit auch jeder Staat, jede religiöse Vereinigung, jeder Verein, jede Patientenvereinigung, und, und, und…. seine eigene Definition der Grenzen von Freiheit und Selbstbestimmung. Daher kann ich hier nur meine ureigenste Vorstellung/Meinung kundtun.
Und die ist in meinem Fall eindeutig: ich hätte der Widerspruchslösung zugestimmt, da ich denke
- Ich habe auch in diesem Fall die Freiheit, für oder dagegen zu entscheiden. Und in so einem Fall, wo auch andere durch meine Entscheidung betroffen sind, kann man auch von mir verlangen, mich mit diesem Thema zu Lebzeiten auseinanderzusetzen. Und wenn ich mich damit auseinandergesetzt habe kann ich auch selbstbestimmt darüber frei entscheiden. Auch hier könnte gelten, was ich schon als Kind lernen musste: „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“ – wobei ich Organentnahme nie als eine Strafe ansehen würde.
- Dass das Argument: „Schweigen wäre keine Zustimmung“ zwar so stimmen kann (möglicherweise auch ethisch), aber: ich denke auch, wenn mein Schweigen anderen schaden kann, sollte und dürfte die Gesellschaft Schweigen nicht mehr akzeptieren.
- Was nicht vergessen werden darf, dass auch die Widerspruchslösung einiges an Information erfordert. Auch hier müssen die Menschen aufgeklärt und angesprochen werden. Widerspruchslösung schließt Informationspflicht seitens des Staates nicht aus, im Gegenteil! Und wenn ich es richtig verstanden habe, wäre das in dem entsprechenden Gesetzesentwurf auch verankert gewesen (mit evtl. notwendigen Nachbesserungen gerade für „schwer“ zu erreichende Menschen – wie z.B. Obdachlose).
Und dass Deutschland bezüglich Organspende nicht gerade sehr viel Information betreibt, kann man daran erkennen, dass philatelistisch meines Wissens nach nicht eine einzige Briefmarke zu diesem Thema bisher erschienen ist. Man schweigt das Ganze scheinbar tot. Österreich gedenkt immerhin der ersten Herztransplantation.
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