Wenn uns auch die Pandemie inzwischen ganz schön nervt, sie kann auch dazu herhalten bestimmte Phänomene im Sport genauer zu untersuchen – wie z.B. der Einfluss von mit Fans gefüllten Rängen im eigenen Fussballstadium und ob der ominöse Heimvorteil darauf basiert. Diese Untersuchung war nun möglich, weil während der Pandemie (Saison 2019-2020) europäische Fußballmannschaften sogenannte Geisterspiele durchführten – also vor leeren Rängen spielten.
Dies nutzten zwei Sportpsychologen der Universität Salzburg und verglichen die Ergebnisse von 641 solcher Geisterspiele in der Saison 2019-2020 mit den Ergebnissen von 645 Spielen in der Saison 2018-2019, in der noch vor vollen Rängen gespielt wurde. Analysiert wurden Spiele in den Top-Leagues der Länder Spanien, England, Deutschland, Italien, Russland, Türkei, Österreich und Tschechien.
Sie fanden i.d.T. heraus, dass in den sogenannten Geisterspielen, der Heimvorteilseffekt nicht mehr vorhanden war. Heißt, die Anzahl der zu Hause gewonnenen Spiele hat sich signifikant verringert- sie sank um 8,3%. Der Grund hierfür sehen die Autoren im unbewussten Verhalten der Schiedsrichter. Denn in einer vertiefenden Analyse über die Vergabe von gelben Karten fanden sie heraus, dass diese in den „Heim-Geisterspielen“ wesentlich mehr Fouls gegen die Heimmannschaft mit einer gelben Karte ahndeten, als in der Vor-Saison. Wesentlich mehr heißt in diesem Fall 26% mehr. Hingegen wurde gegen die Gastmannschaften nur 3% mehr Fouls geahndet. Der Anstieg der gelben Karten für Heimmannschaften war interessanterweise unabhängig vom Spielverlauf: ob die Mannschaft gerade am Gewinnen oder Verlieren war spielte keine Rolle. Zudem betraf er nur „echte“ Fouls, also nicht gelbe Karten für „Meckern“ oder „unsportliches Verhalten“. Aus der Analyse wurden bewusst schwere Fouls, die mit einer roten Karte geahndet wurden herausgelassen, da es hierfür ja inzwischen den Video-assitenten gibt.
Die Hypothese der Forscher ist nun, dass der schon lange bekannte Heimvorteil bei Fußballspielen auf dem sozialen Druck von den Rängen auf die Schiedsrichter beruht. Unbewusst bewerten die Schiedsrichter das Spiel der Heimmannschaften ohne Fans objektiver, was zu den vermehrten geahndeten Fouls der Heimmannschaft führt. Gleichzeitig bevorzugen sie die Gastmannschaften in Geisterspielen jedoch nicht. Die Autoren hoffen nun, dass ihre Ergebnisse dazu führen werden, neue Trainingsmethoden für Schiedsrichter zu entwickeln, um den Einfluss des Publikums auf ihre Entscheidungsfindung in Zukunft zu minimieren.
Es gab, wie zu erwarten auch schon Gegenstimmen, vor allem aus dem Schiedsrichterbereich. „Die Arbeit sei für die Schiedsrichter in leeren Stadien wegen der veränderten Akustik zwar anders geworden. Plötzlich sind Zusammenstösse besser zu hören, was die Foulentscheidung allenfalls beeinflussen könne. Zudem hören Schiedsrichter plötzlich Aussagen von Spielern, die vorher im Lärm untergegangen waren. Dass das Publikum einen Einfluss auf die Leistung der Schiedsrichter habe, sei jedoch auszuschließen.“
Aber dies ist und war nicht die einzige Studie zu Geisterspielen. Die Salzburger Sportpsychologen haben bereits in einer Anfang des Jahres veröffentlichten Arbeit gezeigt, dass emotionale Ausbrüche und Streit bei Spielern und Betreuern in Geisterspielen deutlich abnahmen. Und in einer englischen Studie wird festgestellt, dass, wenn das Heimteam knapp führt, der Referee vor vollem Haus um mehr als 40 Sekunden früher abpfeift als vor leeren Rängen. Kein Wunder dass die Vereine ihre Ränge wieder füllen wollen. Wenn auch ich persönlich glaube, dass dies – wie auch Sponsorenverträge mit diversen Sponsoren -ausschließlich dem schnöden Mamon geschuldet ist.
Quellen:
- Leitner M.C. & Richlan F. (2021). No fans – No pressure: Referees in professional football during the COVID-19 pandemic. Frontiers in Active Living – Movement Science and Sport Psychology 3: 720488. doi.org/10.3389/fspor.2021.720488
- Leitner, M. C., Daumann, F., Follert, F., and Richlan, F. (2021). The cauldron has cooled down: a systematic literature review on covid-19, ghost games, and home advantage in football from a behavioral science perspective. PsyArXiv [preprint]. doi: 10.31234/osf.io/qjp27
- https://www.reading.ac.uk/web/files/economics/emdp202025.pdf