Gestern habe ich mit Schrecken gelesen, dass die Internationale Briefmarkenbörse in München 2019 vorerst die letzte ihrer Art war. Die Messeagentur Billion im Auftrag der Messe Sindelfingen hat folgende Meldung versendet (Quelle: Webseiten der d_b_z und APHV):
„Internationale Briefmarken-Börse München abgesagt. Eine traurige Nachricht für alle Briefmarken-Fans: Die für den 5. bis 7. März 2020 geplante 23. Internationale Briefmarken-Börse München wird leider nicht stattfinden. Nach über 20 erfolgreichen Jahren in der Bayernmetropole musste die Schwestermesse unserer mittlerweile europaweit führenden Sindelfinger Briefmarken-Börse aus wirtschaftlichen Gründen abgesagt werden. Auch für die Zukunft ist eine weitere Fortführung der Messe am Standort München nicht vorgesehen. Wir bedauern, dass wir zu diesem Schritt gezwungen sind, und laden alle bayerischen Freunde der Philatelie dafür umso herzlicher zu unserer großen Internationalen Briefmarken-Börse nach Sindelfingen vom 24. bis 26. Oktober 2019 ein. Der Eintritt ist frei!“
Nun nach – gerüchteweise – Friedrichshafen auch noch München, eine weitere Großbörse, die für den Vorarlberger Sammler an einem Tag erreichbar wäre, existiert nicht mehr. An was liegt das? Dass keiner mehr Geld für Philatelie ausgeben will? Dass Händler nicht mehr überleben können aufgrund der Konkurrenz mit dem Internethandel, in dem alles zu Spottpreisen angeboten wird? Gerade in Bezug auf letzteres habe ich einen interessanten Artikel gefunden. Er stammt aus dem Wirtschaftsmagazin Forbes von Robert Lehman den ich hier auszugsweise wiedergebe:
„Aus diesen Besuchen (Anmerkung von mir: bei Michel und C.G.Gärtner) schließe ich, dass es ein Fehler ist, die sinkenden Preise im Internet als Zeichen der Marktschwäche zu interpretieren. Ich würde sagen, es ist genau das Gegenteil.
Der Briefmarkenmarkt entwickelte sich weit vor dem Internet, basierend auf einem Geschäftsmodell, bei dem Millionen von Sammlern auf Tausende von Händlern angewiesen waren, die Briefmarken nur auf Briefmarkenshows und per Direktmail anboten. Dies führte zu einer Struktur, in der die Sammler bei sporadischen Gelegenheiten mit einem begrenzten Wettbewerb konfrontiert waren. Die Preistransparenz beschränkte sich auf einen Katalog, der hauptsächlich aus dem Input des Händlers erstellt und nur gelegentlich aktualisiert wurde. Das Internet hat das Spielfeld geebnet, indem es mehr Wettbewerb schafft, indem es jedem ermöglicht, Händler zu werden, und indem es eine größere Auswahl bietet. Die ökonomischen Prinzipien sagen uns, dass unter diesen Bedingungen die Preise sinken müssen, aber auch das Umsatzvolumen steigen sollte. Der Mengenanstieg wurde jedoch durch die negative Demographie bei den Briefmarkensammlern gebremst. Das demografische Problem wird uns noch etwa ein Jahrzehnt lang beschäftigen, aber mit der Zeit wird es zu einem positiven Faktor werden. Heutige Sammler können sich dem Kauf hingeben, wann immer sie wollen und zu wettbewerbsfähigen Preisen, ohne dass Kataloge benötigt werden. Ich glaube, dass der Markt heute weniger Käufer hat, aber diejenigen, die viel häufiger und für höherwertige Briefmarken kaufen.
Für diejenigen, die an der Zukunft unserer Branche verzweifeln, sage ich: Lassen Sie sich nicht entmutigen!. Die Zukunft des Briefmarkensammelns ist vielversprechend, weil sie einen grundlegenden menschlichen Instinkt erfüllt. Es sind Veränderungen im Gange, die uns in das 21. Jahrhundert führen. Die Ökonomie für Händler von Briefmarkensendungen kann nicht mehr mit dem Verkauf über das Internet konkurrieren, außer auf einer sehr begrenzten Basis. Wir werden den persönlichen Kontakt und die Interaktion vermissen, einen der Reize des Hobbys, aber das ist der Preis des Fortschritts.“
Also alles nicht so schwarz sehen. Und wenn wir letzten Satz nicht einfach so durch den Fortschritt als gegeben hinnehmen wollen und auch Wert auf persönliche Kontakte legen, müssen wir selbst was tun. Die Digitalisierung, das Internet ist nicht aufzuhalten. Aber wir können was tun. Wie z.B. die APHV – dem Bundesverband des Deutschen Briefmarkenhandels, der noch versucht, die Börse in München zu retten, siehe Auszug aus ihrer Homepage:
„Der angekündigte Rückzug der Deutschen Post AG hatte seit einigen Wochen Anlass zu entsprechenden Befürchtungen gegeben, welche nun bestätigt wurden. Angesichts dieser für Sammler und Händler unbefriedigenden Situation befindet sich der APHV seit einiger Zeit in Gesprächen mit dem Veranstalter der NUMISMATA. Erst nach der erfolgten Absage können konkrete Verhandlungen geführt werden. Im Sinne einer möglichen Fortführung der Veranstaltung bittet der APHV alle bisherigen Teilnehmer, sich das Wochenende vom 6. bis 8. März 2020 noch für einige Zeit freizuhalten. Über Ergebnisse werden wir Sie informieren.“
Vielen Dank dem APHV für diese Initiative! Und was können wir in Vorarlberg tun? Neue Initiativen unterstützen…., sodass auch größere Veranstaltungen in Vorarlberg stattfinden können, die die Philatelie im Lande sichtbar machen (z.B. „Bunte Tage in Altach“). Und nicht neue Initiativen mit den sehr motivierenden Aussagen begleiten – „Das hat wohl keine Aussicht auf Erfolg“, oder „Ihr könnt es ja mal probieren…..“, oder sich selbst gar nicht auf Anfragen bzgl. neuer Initiativen melden und wenn dann mit den unverbindlichen Aussagen wie „mal schauen…“. So werden auch diejenigen, die versuchen „diese alten Reize des Hobbys“ noch zu fördern, demotiviert und suchen sich (übrigens erfolgreich) ausserhalb Vorarlbergs ihr Tätigkeitsfeld. Was nicht im Sinne der Vorarlberger Philatelie sein kann … (auch nicht der österreichischen, da: warum in die Ferne (u.a. auch Wien) schweifen, wenn das Gute (eben das Internet) liegt so nah…..). Also, Begeisterung für sein Hobby auch öffentlich zeigen, vermitteln und ab und an auch raus aus der Hinterstube. Ich weiß, mit zunehmenden Alter wird das schwierig – spüre ich selbst schon. Aber schon alleine eine positive Einstellung gegenüber „neumodischen“ Initiativen anderer (auf allen Ebenen – Webseiten, Twitter, Werbeausstellungen usw. ) wäre und ist Unterstützung der Philatelie.
Apropos Twitter: wir haben durch unseren Twitter-Account weltweiten Kontakt zu jungen Philatelisten erhalten. Das ist doch schon mal ein Anfang.