August 2020 – „Post“-klau in der Pflanzenwelt

Bisher wurde den Pilzen die Aufgabe der Kommunikation zwischen den Pflanzen zugeschrieben.

Wie kommunizieren Pflanzen miteinander? Das ist eine Frage, die viele Menschen abtun mit der Antwort: Pflanzen kommunizieren nicht. Manchen fallen jedoch in das andere Extrem und meinen Pflanzen reden miteinander oder aber auch mit uns. Die Wissenschaft kann uns dabei helfen diese gegensätzlichen Ansichten zu beleuchten und zeigt mal wieder: Es gibt nicht eine Wahrheit, sondern mehrere. Wir wissen bereits, dass Pflanzen allgemein über gasförmige Substanzen und unterirdische Pilznetzwerke miteinander kommunizieren können.

Eine Grasmücke sitzt auf einem gelbblühenden Stechginster. Der Teufelszwirn blüht ebenfalls: und zwar weiß-rosa und umschlingt den Ginster (Alderney 1994).

Aber wie machen sie es genau und wie nutzen Parasiten ihre Wirte? Das haben nun Wissenschaftler aus China zusammen mit deutschen Wissenschaftlern am Beispiel des Teufelszwirns (= Hexenseide, Gattung Cuscuta) erforscht. Die Pflanzen der Gattung Cuscuta sind sogenannte Vollschmarotzer, wachsen also ohne Bodenkontakt auf ihren Wirtspflanzen, mit denen sie sich über Saugorgane verbinden und ihnen alle notwendigen Nährstoffe entziehen. Dabei befällt ein Teufelszwirn mehrere Pflanzen gleichzeitig und verbindet sie netzartig miteinander.

Durch die Analyse des Transkriptoms, also aller aktiven Gene in den Blättern der über den Teufelszwirn verbundenen Wirtspflanzen, konnten die Forscher zeigen, dass von Insekten befallene Pflanzen Signale über Teufelszwirn-Brücken an ihre Nachbarpflanzen weiterleiten.

Die Signalübertragung wurde offenkundig, da große Veränderungen im Transkriptom lokal befallener Blätter, aber auch nicht-befallener Blätter derselben Pflanze sowie von Blättern benachbarter Pflanzen ohne Befall beobachten konnten. Aktiviert wurden Verteidigungs-gene, die z.B. die Nachbarpflanze resistenter gegen ihre Fressfeinde machen.

Der Jasmin ist die Nationalblume Pakistans (Pakistan 1961).

Die Vermittlung der Verteidigungsbereitschaft über das Teufelszwirngeflecht hängt maßgeblich vom Pflanzenhormon Jasmonsäure (auch verantwortlich für das Aroma des Jasmins) ab.

Der Teufelszwirn „saugt“ an seiner Wirtspflanze (Canada 1997).

Es wurden höhere Konzentrationen von Abwehrsubstanzen in kurzer Zeit über mehrere miteinander verbundene Pflanzen hinweg, über größere Entfernungen und sogar zwischen verschiedenen Pflanzenarten nachgewiesen. Aber letztendlich macht der Beitrag des „Vampirs“ zur Insektenabwehr Sinn, denn das Leben des Teufelszwirns hängt ja sehr unmittelbar vom Leben seines Wirtes ab. Wie genau der Teufelszwirn jedoch die Genaktivierung verändert ist noch nicht klar.

Vielleicht kapert er ja einfach das Abwehrsystem seines Wirtes. So wie er es macht, um seine eigene Blühzeit der Blühzeit seines Wirtes anzupassen. Und eigentlich ist es sogar erstaunlich, dass der Teufelszwirn überhaupt blüht. Die Sequenzierung des Genoms dieses Parasits im Jahre 2018 hat nämlich ergeben, dass viele Gene zur Steuerung des Blühzeitpunkts im Genom des Schmarotzers abgeschaltet sind. Er kann somit seine eigene Blüte gar nicht aktivieren, also gar nicht blühen. Und doch tut er es.

Gensequenzierungen helfen beim Aufklären von bisher unentschlüsselten Geheimnissen (USA 2020).

Im August 2020 konnte nun gezeigt werden, dass das Genprodukt des „flowering locus“ FT der Wirtspflanze das Blühsignal des Parasits steuert. Dieses wird in den Blättern des Wirts produziert. Dieses FT-protein wird dann von dem Teufelszwirn aufgenommen und interagiert dort im Stängel physikalisch mit Teufelszwirnproteinen, die dann dessen Blüte aktivieren. Somit blüht der Teufelszwirn immer gleichzeitig mit seiner Wirtspflanze, da seine Blüte durch FT gleichzeitig mit der Blüte des Wirts aktiviert wird.

Auf das Timing kommt es an, ob man bleibt oder geht (Österreich 2019).

Doch wozu das Ganze? Durch das Abschalten der Gene und das „Outsourcing” der Blühregulation konnte sich der Teufelszwirn offenbar optimal an sein weites Wirtsspektrum anpassen, das Pflanzen mit sehr unterschiedlichen Blühzeiten umfasst. Das richtige Timing ist gefragt. Denn würde er „selbstständig“ blühen, kann er zu spät dran sein. Nach der Blüte nimmt die Wirtspflanze weniger Nährstoffe auf, die der Teufelszwirn für seine eigene Blüte benötigen würde.

Diesen Dieb will der Wirt nicht unbedingt los werden (Guyana 1992).

Evlt. stirbt sie sogar, bevor der Teufelszwirn selber blühen würde. Würde er zu früh blühen, würde er viel Zeit verspielen, in der seine Samen noch optimal ausgebildet werden könnten.

Fazit: der Teufelszwirn klaut die Post des Wirts, öffnet sie und nutzt sie für seine Zwecke, nicht unbedingt zum Schaden des Wirts. Er muss aber klauen, denn ansonsten kann er nicht überleben. Dafür gibt er Kontrolle über sich selbst auf, was – wie gezeigt – aber nicht unbedingt schlecht sein muss. Vielleicht auch in der Philatelie? …….

Quellen:

  • PNAS, doi: 10.1073/pnas.2009445117
  • PNAS; 24 July, 2017 (DOI: 10.1073/pnas.1704536114)