August 2020 – Mein Freund der Baum ist tot

Schon in den 80iger Jahren mussten wir uns Sorgen um unseren Wald machen. Damals war es der saure Regen

 

Wieso habe ich aus den vielen Holzbriefmarken, die inzwischen verausgabt wurden, gerade die aus der Schweiz unter der Rubrik „Aussergewöhnliche Marken“ gezeigt. Das hat damit zu tun, dass die Schweiz hier Fichtenholz zum Thema hatte. Und dieser Baum ist inzwischen zumindest in Deutschland einem großen Baumsterben ausgesetzt. Dieses Baumsterben wird sekundär ausgelöst durch den Borkenkäfer.

Auch in die niederen Lagen des Schwarzwalds gehören die Fichten eigentlich nicht hin.

Die Fichte (Picea abies) gehört zum natürlichen Baumartenspektrum in Deutschland. Allerdings kommt sie von Natur aus nur in den höheren Lange der Mittelgebirge und in den Alpen vor. Auf Grund der Nutzungsgeschichte der Wälder und den ökonomischen Interessen der Forst- und Holzindustrie hat die Fichte heute jedoch einen Anteil von 25 Prozent, somit ist sie auch in niedrigeren Lagen vertreten.

Klimawandel könnte unsere Landschaft verwüsten lassen.

Käfer, die das lieben, sind die Borkenkäfer. Hier einer aus der Familie, der aber Ulmen befällt.

Die Fichtenforste machen seit vielen Jahren sehr deutlich, wie anfällig sie gerade in den niedrigeren Lagen gegenüber extremen Wetterereignissen sind. Dürre und Hitze haben in den letzten Jahren auch den Borkenkäfer-Befall begünstigt. Wobei Borkenkäfer, die europaweit mit rund 150 Arten vertreten sind, nicht grundsätzlich ein Problem sind. In Natur- bzw. Bannwäldern können sie zu einer natürlichen Walddynamik beitragen: Befallene Waldflächen sterben ab und machen so den Weg frei für eine neue Waldgeneration. Problematisch wird es nur, wenn die Käfer massenhaft auftreten und wenn sich dabei dann ausgerechnet um die Arten handelt, die den größten Schaden anrichten. Diese sind vor allem der Buchdrucker und der Kupferstecher.

Aussehen, Größe und Befallsstellen an Fichten (Grafik: LWF)

Die beiden in Zentral- und Nordeuropa sowie in Teilen Asiens beheimateten Arten unterscheiden sich nicht nur in ihrer Größe (der Buchdrucker misst zwischen 4,5 und 5 Millimeter, der Kupferstecher lediglich 1,8 bis 2,6 Millimeter), sondern auch in ihrer Vorliebe für bestimmte Bäume. Während sich der Buchdrucker, der als wirtschaftlich gefährlichster Borkenkäfer gilt, vor allem durch ältere Fichtenbestände ab einem Alter von 50 Jahren frisst, hat es der Kupferstecher eher auf die dünnrindigen Jungwuchsbestände und Dickungen abgesehen. Und mitunter habe es der Kupferstecher auch auf andere Nadelhölzer wie Lärche, Douglasie, Kiefer und Tanne abgesehen, was aber eher selten vorkommt.

Auch Parfüms dienen der Anlockung des Geschlechtspartners.

Anzumerken ist jedoch, dass selbst eine geschwächte Fichte nicht von einzelnen Käfern überwältigt werden kann. Nötig ist eine erhöhte Konzentration der Angreifer. Eine entscheidende Rolle spielen dabei Duftstoffe. Zunächst werden kränkelnde Fichten nach deren Geruch angeflogen, es folgt das „Einbohren“ zur Anlage von „Rammelkammern“ für die Männchen. Später stoßen auch die Weibchen hinzu. Die Fichte wehrt sich durch klebrigen und giftigen Harzfluss, dem die ersten Angreifer zum Opfer fallen. Die Fichtenborkenkäfer wandeln Harzinhaltsstoffe aber in Duftstoffe um. Dies steigert die Attraktivität des Baumes, was wiederum eine erhöhte Angriffsintensität zur Folge hat. Steigt diese über die Widerstandsfähigkeit der Fichte, werden die ersten Brutsysteme (ausgehend von der Rammelkammer) bei weiterer Abgabe von Lockstoffen angelegt.

Unter der Rinde der Nadelbäume (hauptsächlich der Fichte (Mitte)) – nicht der Eiche (rechts) – vermehrt sich der Borkenkäfer und zerstört damit die „Gefäße“ der Bäume.

Die nun entstehenden Larven und Jungkäfer fressen sich zwischen Borke und Splintholz durch den so genannten Bast. Sie durchtrennen dabei die für die Ernährung des Baumes wichtigen Leitungsbahnen. Bei starkem Befall wird so auch der Wassertransport in die Kronen so stark gestört, dass der Baum abstirbt. Neben der weiteren Besiedlung des Brutherdes erfolgt der Übergriff auf die Nachbarbäume. Bei Überbesiedelung wird auch dieses per Duft gemeldet. Dieses kleine, schwache Insekt verfügt also über eine ausgefeilte Strategie zur Überwältigung eines für das einzelne Individuum übermächtigen Gegners.

Der Klimawandel ist nicht ganz unbeteiligt.

Warum nimmt der Borkenkäfer jetzt aber überhand? Das hat wohl auch mit dem Klimawandel zu tun. Erstens nahmen in den letzten Jahren die Stürme zu, und es kam vermehrt zu Totholz (da auch der Wald aufgrund wirtschaftlicher Interessen überaltert), ein gefundenes Fressen für den Borkenkäfer. Auch wird zur Harzbildung Wasser benötigt, welches momentan den Bäumen aufgrund der anhaltenden Trockenheit nicht zu Verfügung steht. Somit kann die Fichte sich nicht adäquat gegen den Erstbefall wehren und der oben beschriebene Kreislauf beginnt. Gleichzeitig profitieren die Borkenkäfer von den hohen Temperaturen und können sich gut vermehren. Auch die Buche ist betroffen.

Mischwald könnte die Lösung sein, aber auch hier bedarf es noch weiterer Forschung.

Kurzfristige Lösungen sind nicht vorhanden. Mittel- bis langfristig hilft nur der Waldumbau hin zu naturnahen Laub- und Mischwäldern. Aber mit welchen Bäumen? Keine leichte Entscheidung, denn zuletzt gab es immer wieder Rückschläge. Die Buchen etwa, auf die Forstleute gesetzt hatten, um robuste Mischwälder zu etablieren, sind mittlerweile selbst geschwächt. Baumarten wie die nordamerikanische Küstentanne oder die Douglasie scheinen geeignet, weil sie mit der Trockenheit umgehen können. Sie haben aber einen negativen Einfluss auf die Artenvielfalt. Fachleute plädieren dafür, ergänzend zum Aufforstungsprogramm in Forschung zu investieren, um herauszufinden, welche Baumarten für das wärmere und trockenere Klima geeignet sind. Forschung allerdings braucht Zeit und es ist unklar, wie viel dem deutschen Wald eigentlich noch bleibt. Ich würde ihn schwer vermissen. Es gibt nichts schöneres als einen Waldspaziergang!