Oktober 2020 – Nobelpreis für CRISPR/Cas

Das Erbgut wird verändert

Zystische Fibrose könnte heilbar werden

CRISPR/Cas9 – dieses Kürzel steht für ein neues Verfahren, um DNA-Bausteine im Erbgut zu verändern, so einfach und präzise, wie es bis vor kurzem nicht vorstellbar war. Diese „Gen-Schere“ funktioniert in nahezu allen lebenden Zellen und Organismen. Mit ihr soll es möglich sein Aids, Krebs und eine Reihe von Erbkrankheiten zu heilen, aber auch bei der Züchtung von Pflanzen und Tieren kann CRISPR/Cas9 einen Quantensprung bewirken.

CRISPR/Cas9 (der komplizierte Name stammt von dessen Entdeckung als „Immunsystem von Bakterien“) ist eine neue, molekularbiologische Methode, um unser Erbgut gezielt zu schneiden und auch zu verändern. So werden einzelne Gene „editiert“. Diese Editierung erfolgt in drei Schritten:

Auskundschaften —- Schneiden —- Reparieren

  1. Das präzise Auffinden der Stelle im Erbgut an welchem geschnitten werden soll (durch eine molekulare Sonde, der sogenannten Guide RNA).
  2. Das Schneiden des Erbguts (DNA) genau an dieser Selle durch die molekulare Schere Cas9.
  3. Das Reparieren des Schnitts (evtl auch Austausch einer kleinen Gensequenz) durch die zelleigenen Reparaturmechanismen.

Radioaktivität induziert Mutationen

Jede natürliche Mutation (durch Chemikalien, Strahlung, etc.) basiert ebenfalls auf dieser Arbeitsweise – Aufbrechen des Erbgutes – Verändern – Reparieren. Also eigentlich nichts Neues. Und dennoch grundlegend neu, da mit CRISPR/Cas präzise und nur an einer einzigen vorbestimmten Stelle im Genom stattfindet. Im Gegensatz zur konventionellen Gentechnik. Dort ist es – bis auf sehr aufwändige Verfahren, die nicht in allen Zellen angewandt werden können – vom Zufall abhängig, wo die verändernde Gensequenz eingebaut wird. Damit besteht das Risiko, dass dieses Gen verändert wird, und so Nebenwirkungen entstehen.

Pfanzenzucht setzt auf Mutationen

Eigentlich ist somit eine Veränderung durch die Genschere nichts weiter als eine Mutation, wie sie bei jeder natürlicher Vermehrung und Fortpflanzung in großer Zahl stattfindet. Selbst zwei Pflanzen derselben Sorte, wie sie scheinbar gleichförmig auf einem Feld stehen, unterscheiden sich durch jeweils andere Mutationen. Bei Weizen etwa ereignen sich von einer Generation zur nächsten etwa 100 bis 120 natürliche Mutationen, zufällig und im einzelnen unbekannt.

Europäischer Gerichtshof

Und, ist es jetzt Gentechnik, wenn wir Pflanzen und Tiere mit CRISPR/Cas9 behandeln, auch wenn wir nur eine Mutation setzen, wie sie natürlicherweise immer wieder auftritt? Eigentlich schon, denn entscheidend für die Bewertung solcher Organismen ist laut aktueller Gesetzgebung nicht das fertige Produkt, sondern der Prozess, durch den der Organismus verändert wird. Und dabei handele es sich um Gentechnik. Nur: den Einsatz der Gentechnik, kann man in diesem Fall am Endprodukt nicht mehr nachweisen, da nichts von den molekularen Scheren in der Zelle zurückbleibt, und die Veränderung so aussieht wie eine natürliche Mutation. Wissenschaft und Gesetzgeber stehen hier also vor einem Dilemma, das nicht einfach gelöst werden kann. Der EUGH jedenfalls hat mit CRISPR erzeugte Organismen letztes Jahr als sogenannte GVOs (gentechnisch veränderte Organismen) eingestuft. Nur wer will und kann es nachweisen?????.