Der heutige Beleg des Monats stammt aus Baden / Deutschland und wurde am 9.9.1949 in Rastatt abgestempelt. Er ging per Luftpost nach Baltimore und wurde portogerecht frankiert (Luftpost ohne Zoneneinteilung 20.10.48-30.11.50; 1te Gewichtsstufe 0-10g = 80 Pfg). Die 3 Marken mit Carl Schurz zum 100. Jahrestag der badischen Revolution in den Wertstufen 10, 20 und 30 Pfenning erschienen am 24.8.1949, die mit dem Porträt von C. Kreutzer zu 10 Pfennig am 27.8.1949. Alle auf diesem Beleg verklebten Marken waren gültig bis zum 31.3.1950. Der Entwurf der Carl Schurz Marken stammt von dem litauischen Künstler Vytautas Kazimieras Jonynas, während die C. Kreutzer Marke von Heinz Thorweger entworfen wurde.
Eigentlich gab es ja Baden zu dieser Zeit als selbstständiges Land nicht, sondern es handelt sich hierbei um Marken der französischen Besatzungszone nach dem 2. Weltkrieg. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Südwesten Deutschlands ab April 1945 als Französische Besatzungszone unter französischer Verwaltung. Ab Dezember 1945 wurde eine neue Serie mit 13 Dauermarken herausgegeben. Ab Frühjahr 1947 folgten lokale Ausgaben der vier Regionen Baden, Württemberg-Hohenzollern und Rheinland-Pfalz sowie das Saarland. 1947 gab es noch einmal für kurze Zeit, bis zur Gründung der Bundesrepublik 1949, eigene Briefmarken in der Französischen Besatzungszone für Baden und Württemberg. Für Baden (Südbaden) erschienen in dieser Zeit 23 Markenmotive. Es sind – neben eher unpolitischen Landschaftsmotiven vom Schwarzwald und vom Bodensee, von Freiburg und Rastatt, – Marken mit vom Nationalsozialismus unbelasteten Personen, die den Franzosen besonders wichtig waren – darunter Carl Schurz und Conradin Kreutzer.
Ferdinand Raimund
Das Hobellied ist wohl eines der bekanntesten Lieder von Kreutzer
Nun zu den Inhalten der Marken: Conradin Kreutzer war ein deutscher Musiker (1780-1849) und ein typischer Vertreter der Frühromantik und des musikalischen Biedermeier. Zu seinen bis heute bekannten Werken gehören die Oper Das Nachtlager in Granada und die Schauspielmusik zu Ferdinand Raimunds Verschwender – insbesondere das Hobellied. Dessen erste Strophe habe ich als Jugendliche immer gerne gesungen (Interpretation von Hans Moser auf YouTube zu hören) und ist wohl auch noch heute aktuell (eine interessante Version für jugendliche Leser hat Ludwig Hirsch von dem Lied auf YouTube parat und würde auch zu dem Flint-beitrag von Clemens in Angewandter Philatelie passen). Aus seiner Biographie ist mir nicht ganz klar geworden, warum gerade dieser Komponist den Franzosen besonders wichtig war, aber vielleicht weiß es ja ein Leser.
Die Badische Revolution geleitet von Hecker, Struve und Bretano wurde in Rastatt blutig niedergeschlagen. C. Schurz konnte fliehen
Carl Schurz (1829 -1906) hingegen war ein Revolutionär, der 1848/49 aktiv in der badischen Revolution mitwirkte. Er war im Revolutionsjahr 1849 zwanzigjährig Adjutant des Oberbefehlshabers der Pfälzischen Volkswehr in Rastatt als diese von preussischen Truppen belagert wurde. Nachdem die Festung in Raststatt nicht mehr zu halten war, gelang ihm eine bemerkenswerte Flucht aus der Festungsstadt durch die Kanalisation. Sein Exil fand er in der Schweiz, Paris und London. Er kehrte jedoch noch einmal nach Deutschland zurück, um seinen Professor und Freund Gottfried Kinkel aus dem Zuchthaus Spandau spekatkulär zu befreien. Trotz vieler ihm entgegengebrachter Sympathien wurde er dafür in Abwesenheit durch ein preussisches Militärgericht zu Tode verurteilt. Ein Zurück nach Baden war dadurch nicht mehr möglich.
Er wanderte nach Amerika aus, wie so einige seiner Mitstreiter in der badischen Revolution. Als überzeugter Verfechter der Forderung von Freiheit für alle und Gleichheit der Rechte arbeitete er dort als Journalist, und schloss sich letztendlich Abraham Lincoln´s Partei den Republikanern – u.a. auch wegen des Kampfes gegen die Sklaverei – an. Er wurde General in den Sezessionskriegen, Senator von Missouri und Innenminister unter Präsident Rutherford B. Hayes . Auch war er ein Jahr Botschafter der USA in Spanien. Im Laufe der Jahrzehnte erreichte er in seiner neuen Heimat einen unglaublichen Bekanntheitsgrad, der allerdings nicht implizierte, dass alle ihn liebten. Auch wird ihm heute vorgeworfen, dass er am Ende seiner Laufbahn als Innenminister viele seine Ideale über Bord geworfen hätte und als solcher äusserst unglücklich agiert hätte. Auf jeden Fall also eine schillernde Figur, über die anhand der Briefmarke noch viel mehr erzählt werden könnte.