Februar 2021 – In der Steinzeit herrschte Gleichberechtigung

Kinderspielzeug

„Braves“ Mädchen lernt – Junge spielt Fussball

Wer kennt sie nicht die Unterteilung in Mädchen- und Jungsspielzeuge bzw. –berufe. Diese Ansichten über die Geschlechtertrennung wurde auch bisher durch die Funde aus der Archäologie / Anthropologie verfestigt. Es wurde für lange Zeit angenommen, dass die Jagd zu frühen Zeiten des Menschen hauptsächlich von Männern ausgeübt wurde. Eine Studie aus dem Jahr 2020 zeigt jetzt aber, dass diese Vorstellung zumindest in Frage gestellt werden sollte: Es wurde nämlich eine Begräbnisstätte von vor ca. 9000 Jahren mit einem Skelett im Hochland der Anden (Peru) entdeckt, mit vielen Jagdwerkzeugen als Grabbeigabe. Und dieses Skelett war weiblich!

Steinzeitliche Jagd I

Steinzeitliche Jagdszene

Speerspitzen

Speerspitzen

Steinzeitlicher Speerwurf

Atlatl-werfer

Die Jagdwerkzeuge, die neben der 17-19jährigen Frau gefunden wurden umfassten Projektilspitzen und auch Werkzeuge zum Herstellen von Atlatls (Speerschleudern). Gerade letzter wurden zur Großwildjagd verwendet. Interessanterweise zeigten genauere Untersuchungen von gleichaltrigen Skeletten, die auch mit solchen Grabbeigaben gefunden wurden, dass von den 27 so gefundenen Skeletten, 11 weiblich und 16 männlich waren. Das lässt die Vermutung zu, dass die Großwildjagd in den Jäger- und Sammlergruppen Amerikas zu dieser Zeit tatsächlich sowohl von Männern als auch von Frauen ausgeübt wurde. Vermutlich waren es vor allem sehr junge Frauen, die damals ähnlich wie die jungen Männer an den Jagden teilnahmen. Diese Beteiligung beider Geschlechter vergrößerte die Jagdtrupps und erleichterte so vermutlich den Beutefang.

Jagd - Herd

Frauen warten auf die heimkehrenden Männer

Dies ist eine sehr provozierende Theorie, da die bisherige Lehrmeinung besagt, dass die Jagd, hauptsächlich, wenn nicht sogar ausschließlich, von männlichen Mitgliedern vergangener Jäger-Sammler-Gesellschaften betrieben wurde. Frauen wären in diesen Gesellschaften eher in der Nähe des Hauses mit kleinen Kindern geblieben oder hätten gefischt und nach Nahrung gesucht = gesammelt.

Jagen-Sammeln

Geschlechterspezifische Aufgaben indigener Stämme in Afrika

Diese Annahme stammt von Studien rezenter Jäger- und Sammlergesellschaften, wie es sie u.a. noch in Afrika gibt, wie die Hazda in Tansania. Hier zog man Schlüsse von diesen wenigen Gesellschaften auf die Lebensweise von früher. Aber ob das so stimmt?

  • Es gibt sehr wohl auch rezente indigene Stämme, in denen die Frauen auf Jagd gehen. Eines der prominentesten Beispiele sind die Agta auf den Philippinen. Die Frauen tragen Macheten, sie jagen mit Pfeil und Bogen, auch dann noch, wenn sie schwanger sind. Die Beute sind Wildschweine und Hirsche, die Mädchen fangen kurz nach der Pubertät mit dem Jagen an. Kinder werden auch mitgenommen, huckepack auf dem Rücken.
  • Auch in Russland wurden bei Sunghir zwei Skelette entdeckt – eines stammte von einem Mädchen – die zusammen mit Speeren aus Mammutelefenbein gefunden wurden. Die Stätte Sunghir ist 34.000 Jahre alt.
  • Zu guter Letzt wurde 2017 festgestellt, dass ein Wikingerkrieger, dessen Grabstätte Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckt wurde gar kein Krieger, sondern eine Kriegerin war.

    Wikinger Grabbeigaben

    Grabbeigaben eines Wikingergrabes – Schwert und Helm – kann natürlich nur ein Mann sein!

Alles in allem zeigt die Gesamtheit der Befunde, dass es wohl schon in früher Zeit nicht das einfache Modell des „Jungen- bzw. des Mädchenberufes“ gab. Dieses Modell ist einfach zu simpel und das menschliche Verhalten – wer was darf und was macht – war schon immer sehr variabel. Scheinbar in früheren Zeiten variabler als jetzt. Mich hat an dieser Debatte auch beeindruckt, wie unser heutiges Denken auch die Interpretation wissenschaftlicher Befunde beeinflusst. Ein Wikingerkrieger ist einfach ein Mann…… kann gar keine Frau sein, der Gedanke wird erst gar nicht zugelassen ……

Steinzeitliche Jagd

Steinzeitliche Jagdzsene – Kooperatives agieren war gefragt

Quelle: Female hunters of the early Americas. Haas R, Watson J, Buonasera T, Southon J, Chen JC, Noe S, Smith K, Llave CV, Eerkens J, Parker G. Sci Adv. 2020 Nov 4;6(45):eabd0310. doi: 10.1126/sciadv.abd0310. Print 2020 Nov.