Die Wanderstempel von Mauren

Manchmal sind es die unscheinbarsten Belege, die die spannendsten Geschichten erzählen. Auf den ersten Blick ist diese Inlandsdrucksache von 1961 nichts Besonderes: eine schlichte Sendung, frankiert mit einer 5-Rappen-Briefmarke aus der Serie „Landschaften (II)“.

Die Marke, gestaltet vom liechtensteinischen Künstler Josef Seger (1908–1998) und am 30. Mai 1961 erschienen, zeigt ein stimmungsvolles Motiv in schwärzlich-olivbraun: Getreidegarben vor der Pfarrkirche Bendern. Eine Szene, die Liechtensteins enge Verbindung von Glaube, Landschaft und bäuerlicher Tradition einfängt. Der feine Rastertiefdruck verleiht dem Motiv Tiefe.

Doch der wahre Schatz liegt nicht im Motiv, sondern im Stempel. Denn auf dieser Drucksache befindet sich ein Aushilfsstempel, auch „Wanderstempel“ genannt – ein seltenes Relikt aus der Geschichte der liechtensteinischen Post. Diese Stempel kamen nur dann zum Einsatz, wenn ein regulärer Brückenstempel defekt war oder repariert werden musste. Zuständig für ihre Zuteilung war die Kreispostdirektion St. Gallen, seit der Übernahme des Postwesens durch die Schweiz am 1. Februar 1921 verantwortlich für den technischen Betrieb in Liechtenstein.

Wanderstempel Mauren 2

Der erste Wanderstempel von Mauren (aus RLS-Mitteilungen 1994/Heft4/Seite 88 ff)

Der hier verwendete Wanderstempel stammt aus Mauren und war vom 26. Juli bis 8. August 1961 in Gebrauch – tatsächlich erst das zweite Mal in der Ortsgeschichte. Bereits 1932 hatte Mauren einen Aushilfsstempel eingesetzt. Damals trug er die Inschrift „MAUREN L.STEIN“, während 1961 die modernisierte Version „MAUREN FL“ zu lesen war, um Verwechslungen mit dem gleichnamigen Schweizer Ort zu vermeiden. Auch die Maße änderten sich: von 52,5 × 21 mm (1932) auf 50,5 × 22,5 mm (1961).

Nur sieben Jahre später, 1968, kam ein solcher Wanderstempel in Liechtenstein zum letzten Mal zum Einsatz – in Gamprin-Bendern. Mit der Einführung der Postleitzahlen 1965 wurden alle Poststellen mit mindestens zwei Stempeln ausgestattet. Damit war die Ära der Aushilfsstempel beendet.

So erzählt diese vermeintlich schlichte Drucksache mit ihrer 5-Rappen-Marke und dem seltenen Stempel eine ganze Episode der Postgeschichte Liechtensteins – von handwerklicher Präzision über Verwaltungspraxis bis hin zum technischen Fortschritt.

Quelle: RLS-Mitteilungen 1994/Heft4/Seite 88 ff


Philatelistische Details zur Serie

Garben

  • Serie: Landschaften (II)
  • Motiv I: Getreidegarben vor der Pfarrkirche Bendern
  • Motiv II: Schellenberg
  • Ausgabedatum: 30. Mai 1961
  • Nennwert: 5 Rappen bzw. 40 Rappen
  • Gestalter: Josef Seger (1908–1998)
  • Druckverfahren: Rastertiefdruck mit Rasterstruktur 5×5
  • Druckerei: Courvoisier S.A.
  • Zähnung: 11 3/4

Schellenberg