April 2022 – Was sind Irrlichter?

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Jersey März 2022 – The Belenji – ein großes Irrlicht

Auf der Suche nach der Briefmarke des Monats bin ich über die nebenstehende Briefmarke von Jersey (ausgegeben im März 2022) gestoßen. Sie ist Teil der Serie Mythen und Legenden in Jersey. Die 88-Pence-Briefmarke zeigt den Belenji, eine Art Irrlicht, das in den Sümpfen von Jersey herumspukt. Als Irrlicht (auch Irrwisch, Sumpflicht und Ignis fatuus genannt) wird eine grün-blaue Leuchterscheinung bezeichnet, die zumeist in Sümpfen, Mooren, Morasten oder in besonders dichten, dunklen Wäldern und auf Friedhöfen anzutreffen ist. Die Beschreibungen von Irrlichtern sind unterschiedlich. Während sie meist als kleine Flämmchen, die kurz aufflackern und wieder erlöschen beschrieben werden, gibt es auch solche Irrlichter, wie den Belenji, die faust- oder gar kopfgroß sein können. 

Irrlicht 2

… Menschen vom Weg abbringen können.

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Irrlichter sind Gestalten, die…..

Diese Irrlichter haben die Menschen schon immer fasziniert und sie sind im Volksglauben fest verankert. In der europäischen Folklore werden diese Lichter für Totengeister, Feen oder eine Vielzahl anderer übernatürlicher Wesen gehalten. Sie versuchen, Reisende von ihrem Weg abzubringen und somit z.B. tiefer in das Moor zu führen (Postkarten rechts). Irrlichtern auf Friedhöfen wird oft zugeschrieben, dass es sich um die Geister ungetaufter oder totgeborener Kinder handelt, die zwischen Himmel und Hölle pendeln. Ähnliche folkloristische Erklärung gibt es für das Phänomen „Irrlicht“ in der ganzen Welt – nur haben die Irrlichter dort andere Namen. Das Irrlicht ist also ein transkulturelles Phänomen. Gibt es daher eine einfache global gültige wissenschaftliche Erklärung für ihr Auftauchen?

Kanada

Glühwürmchen als Irrlichter

Die einfachste Erklärung würde die Existenz von bioluminiszierenden Tieren und Pflanzen liefern, die wir alle kennen. Glühwürmchen oder auch leuchtende Pilze. Zumindest wäre das eine Erklärung für bewegliche Irrlichter – die aber sehr, sehr selten beschrieben wurden. Wahrscheinlicher ist daher eine chemische Erklärung.

Organisches Material – also alles Leben – zerfällt nach dem Tod. Unter freiem Himmel findet eine aerobe (mit Sauerstoff) Zersetzung statt, und es entsteht Wasser, Kohlendioxid und Energie. Ist das organische Material jedoch von Sauerstoff abgeschnitten, wie unter Wasser oder in Sümpfen, wird es durch anaerobe Bakterien abgebaut, also ohne Sauerstoff. Dabei entsteht das Faulgas, das Methan, Kohlendioxid, Stickstoff, Schwefelwasserstoff und Phosphane enthält.

streichhölzer

… entzündet durch oxidierende Phosphorverbindungen, wie bei den ersten Streichhölzern.

großbritannien

Faulgase brennen mit blauer Flamme, …..

Speziell letztere spielen bei der Entstehung von Irrlichtern eine wichtige Rolle. Monophosphan (PH3) ist gasförmig, Diphosphan (P2H4) ist bei Zimmertemperatur eine farblose und an Luft selbstentzündliche Flüssigkeit. Phosphane sind sehr reaktionsfähig. Sehr reines Monophosphan PH3 entzündet sich nicht von selbst aber höhere Phosphane wie das Diphosphan sehr wohl. Da sich nun in Faulgasen ein Phosphan- und Diphosphan-Gemisch befindet, das sich bei Kontakt mit Luftsauerstoff spontan entzündet, sind nur geringe Mengen davon nötig, um das viel häufiger vorkommende Methan zu entzünden. Phosphor wurde auch für die ersten Streichhölzer verwendet. Diese Phosphorstreichhölzer hatten eben aber den großen Nachteil, dass sie sich selbst entzündeten. Solch eine Selbstentzündung passiert immer mal wieder in Mooren aber eben auch auf Friedhöfen, falls es die Faulgase an die Oberfläche schaffen – und schon haben wir ein Irrlicht. Auch wäre das sich selbst entzündende Faulgas eine Erklärung für ihr „Verschwinden“, wenn man sich ihnen annährt. Durch die Luftbewegung wird das Gasgemisch zersträut, und das Irrlicht erlöscht. Eine einfache profane chemische Erklärung für das Entstehen und Vorkommen von Irrlichtern. 

Faust

Postkarte: Walpurgisnacht mit tanzenden Irrlichtern

Und auch wenn es jetzt scheinbar eine einfache wissenschaftliche Erklärung für die Irrlichter gibt – sie bleiben faszinierend. Nicht umsonst sind sie auch in der Literatur allgegenwärtig. In Goethes „Das Märchen“ spielen zwei Irrlichter die Hauptrolle, aber auch in seinem „Faust“ tanzen sie in der Walpurgisnacht (dargestellt auf der Postkarte). Und nachts über den Friedhof zu gehen ist immer noch etwas Besonderes – schade, dass ich noch nie ein Irrlicht dort gesehen habe….