Die Geschichte hinter dieser am 7.9.1929 geschriebenen liechtensteinischen Ganzsache ist eine Geschichte, die bis in die heutige Zeit reicht. Aber zuerst mal zu den philatelistischen Besonderheiten dieser Karte. Es handelt sich um eine Ganzsache mit dem eingedruckten Wertzeichen Motiv Schloss Vaduz im Wert von 25 Rp. Diese Ganzsache erschien im Februar 1921 und war gültig bis zum 31.12.1935. 1924 erschienen Ganzsachen, wie die hier abgebildete, mit einem 20 Rp Überdruck. Deren Gültigkeit war vom 15.5.1924-31.12.1935. Während die zuerst beschriebene Ganzsache in einer kleinen Auflage von 5800 Stück erschien, gab es die hier abgebildete etwas häufiger mit einer Auflage von 14080 Stück. Die Ganzsache ist portogerecht versandt worden und wurde von der Fürstlich-Liechtensteinischen Forstverwaltung in Vaduz an deren „Ableger“ in Lundenburg in der damaligen Tschechesslowakischen Republik versandt, mit der dringenden Bitte „endlich“ die angeforderten Unterlagen zuzusenden. Der Poststempel ist ein Brückenstempel – Schweizer Type mit Stundenzahl, zwei Sterne, große Postkreiszahl IX, unten Liechtenstein in Klammern, der vom 1.9.1928-31.12.1959 verwendet wurde.
Was aber hat diese Karte mit heute zu tun? Mir ist sie aufgefallen, da ich im Februar diesen Jahres gelesen hatte, dass das Fürstentum Liechtenstein seine Ländereien und Schlösser, die es nach dem zweiten Weltkrieg an die Tschechen abtreten musste, in einem Prozess in Lundenburg (heute Breclav) zurück beansprucht. Um Lundenburg in Südmähren liegt eine dem Weltkulturerbe zugehörenden Kulturlandschaft mit zwei weltberühmten Schlössern: Lednice (Eisgrub) und Valtice (Feldsberg). Diese Kulturlandschaft ist über große Teile deckungsgleich mit den drei Herrschaften Feldsberg, Eisgrub und Lundenburg, die über viele Jahrhunderte alle drei zum Haus Liechtenstein gehörten. Wieso gehören sie aber nun nicht mehr zu Liechtenstein? In Europa liegt da nahe, dies mit den beiden Weltkriegen in Verbindung zu bringen.
Nach dem Ende der Habsburgermonarchie führte der 1918 neu gegründete tschechoslowakische Staat eine Bodenreform durch. Über die Bedingungen, zu denen die Bodenreform auf den liechtensteinischen Ländereien durchgeführt werden sollten, wurde sich erst 1930 geeinigt. 57% – hauptsächlich Ackerland – sollten an die Tschecheslowakei gegen eine entsprechende finanzielle Kompensation gehen, die aber bis 1939 nicht bezahlt wurde. Somit verwaltete die Fürstenfamilie bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges rund 69.000 Hektar überwiegend Waldfläche in Südmähren.
Auf Grundlage der Benes-Dekrete (Marke unten links) beschlossen die tschechoslowakischen Behörden im Juni 1945, liechtensteinisches Eigentum auf dem Gebiet der Tschechoslowakei in die mit der Vertreibung der Deutschen verbundene Konfiskationswelle einzubeziehen. Legitimiert wurde dies mit der Behauptung, Fürst Franz Josef II. von Liechtenstein (Marke unten rechts) habe sich bei einer Volkszählung im Jahr 1930 zur deutschen Nationalität bekannt, was von diesem vehement bestritten wurde. Auch der Einwand, dass der Fürst Oberhaupt eines im Zweiten Weltkrieg neutralen und souveränen Staates war, konnte die tschechoslowakischen Behörden nicht von ihrem Ansinnen abbringen. So begann der lange Weg durch die Instanzen.
Nach mehreren Abweisungen durch Gerichte, erhob die liechtensteinische Regierung im August 2020 Staatenbeschwerde gegen die Tschechische Republik beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Mit der Staatenbeschwerde wolle Liechtenstein nicht die Benes-Dekrete von 1945 infrage stellen, sondern deren falsche Anwendung auf liechtensteinische Staatsangehörige. Die Regierung könne wegen allfälliger Präzedenzwirkungen nicht hinnehmen, dass die tschechischen Behörden und Gerichte systematisch Liechtensteiner Bürger weiterhin entgegen klarer Fakten als Deutsche klassifizierten, begründete die liechtensteinische Außenministerin Eggenberger die Klage vor den Medien. Ein Urteil in der Sache liegt bisher nicht vor. Aber eben wieder eines vor einem tschechischen Gericht in Breclav. Auch hier wurde wieder die Klage des Fürstentums Liechtensteins auf Restitution abgewiesen – Berufung ist möglich. Ich bin mal gespannt wie diese Geschichte weitergeht……
Quellen:
- wikipedia.org
- https://www.bundestag.de/resource/blob/849340/967441504cd89edded416994e1a32036/WD-1-012-21-pdf-data.pdf