Juni 2021 – Was Dankbarkeit mit uns macht

Storchendank

Storchendank: Kinder danken ihren Eltern

Dankbarkeit

Dankbarkeit: inspiriert zum Geben

Wie komme ich in diesem Monat zu dem Thema „Dankbarkeit“? Eigentlich über den Storch aus der Rubrik Wissenschaft. Für die Ägypter war es eindeutig, dass junge Störche sich um ihre älter werdenden Eltern kümmerten, ihnen Futter brachten und sie sogar durch die Luft trugen. Die Griechen griffen diese Geschichte auf und formten aus ihr das „Storchengesetz“ Lex pelargonia (pelargos: der Storch). Es verpflichtete junge Menschen, ihre Eltern im Alter aus Dankbarkeit zu versorgen. Auch die Römer ordneten den Storch der Pietas, also der Tugend der Ehrerbietung/Dankbarkeit gegenüber Eltern, Göttern und dem Staat, zu. So nennt man damals die Wiedervergeltung von Wohltaten ‚antipelargosis‘ (Storchendank). Damit wurde die Dankbarkeit auch zu einer der Tugenden erklärt. Für den römischen Philosophen Cicero war die Dankbarkeit nicht nur die größte aller Tugenden, sondern auch die Mutter von allen. Während aber viele Tugenden im Bewusstsein der Menschen blieben, wurde die Dankbarkeit leider fast wieder vergessen. Die Psychologie hat sie erst vor 20 Jahren wiederentdeckt.

Gefühle

Dankbarkeit ist ein Gefühl

Cicero

Cicero erklärte die Dankbarkeit zur Mutter aller Tugenden

Eigentlich sollte es einfach zu erklären sein: aber was ist Dankbarkeit, wie soll man das Gefühl der Dankbarkeit beschreiben? Sie ist ein Gefühl, das sich einstellt, wenn ich von einer Person etwas bekomme, die mir etwas Gutes geben möchte, eine Wohltat, ein Geschenk. Und wenn etwas mit Gefühlen zu tun hat, wollen wir auch wissen, wo das Gefühl herkommt. In neurowissenschaftlichen Studien wurden Hirnareale identifiziert, die wahrscheinlich am Erleben und Ausdrücken von Dankbarkeit beteiligt sind, was darauf hinweisen könnte, dass Dankbarkeit eine intrinsische Komponente der menschlichen Erfahrung ist.

treuebonusmarke

Dankbarkeit ist kein Tausch – im Gegensatz zu dem Prinzip der Treuebonusmarken (hier Österreich 2008)

atheismus

Dankbarkeit war früher für Gläubige „einfacher“ zu erfahren

Ein für mich wichtiger Aspekt der Dankbarkeit ist, dass ich auch dankbar bin für Gutes, das ich mir selbst nicht schaffen kann. Auch und gerade dadurch entzieht sich die Dankbarkeit oft einer Tauschlogik und es ist an mir Dankbarkeit zu empfinden für eine „Gabe“, die ich nicht erwidern kann, und dies dann auch nicht negativ zu beurteilen (Scham, Schuld). Eine solche Asymmetrie gibt es besonders im religiösen Bereich, wo Dankbarkeit gegenüber Gott für seine Gaben, die wir selbst nicht erlangen können, gang und gäbe ist. Daraus wird oft geschlussfolgert, dass Atheisten das Positive des Dankbarkeitsgefühls nur bedingt erleben können.

Aber was ist jetzt das Positive an Dankbarkeit? Ein Meilenstein hierfür legte die 2003 veröffentlichte Studienreihe der US-Amerikaner Robert Emmons von der University of California in Davis und Michael McCullough von der University of Miami. Sie „beauftragten“ Probanden entweder 10 Wochen lang einmal pro Woche fünf Dinge aufzuschreiben, für die sie dankbar waren. Andere sollten aufschreiben worüber sie sich geärgert hatten und wiederum andere einfach nur Dinge, die für sie wichtig waren. Es stellte sich heraus, dass die Probanden der Dankbarkeitsgruppe im Vergleich zu den restlichen Teilnehmern gegenwärtig zufriedener mit ihrem Leben waren. Sie hatten weniger körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schwindel oder Muskelverspannungen und trieben mehr Sport.

EMA Freude

Dankbarkeit schafft Freude

Insgesamt wurde festgestellt, dass zwischen dem Empfinden von Dankbarkeit und Gefühlen wie Optimismus und Freude ein starker Zusammenhang bestand. Auch wenn dieser Studie vorgeworfen wird, dass der Effekt nur so groß ist, weil sich die „Kontrollgruppen“ auch auf negative Ereignisse konzentrierten, zeigen inzwischen weitere nachfolgende Studien auf, dass Dankbarkeit in der Tat diese Effekte haben kann, wenn auch nicht in dieser Größenordnung.

MPI für Psychiatrie

Psychologie aber auch Psychiatrie beschäftigen sich vermehrt mit der Dankbarkeit

Dankbarkeitsübungen werden daher inzwischen in der Psychologie wissenschaftlich begründet therapeutisch eingesetzt. Wenn man so will, zieht jetzt – aufgrund wissenschaftlich fundierter Studien – der Atheist dem Gläubigen bzgl. der Dankbarkeit nach. Auch er kann nun erfahren, dass letztendlich alles ein Kreislauf ist. Wer Dankbarkeit erfährt, gibt sie auch an andere Mitmenschen weiter.

Dankbarkeit

Dankbar sein kann unser Leben bereichern

Was Dankbarkeit in uns auslösen kann, ist vielen Menschen wahrscheinlich gar nicht bewusst und ist bei weitem noch nicht erschöpfend erforscht. Insbesondere, warum nicht alle Menschen davon profitieren, für welche Personen die Dankbarkeitstherapie auch schädlich sein kann (z.B. Depressive und Narzisten) und warum Dankbarkeit nicht einfach mit positivem Denken gleichgesetzt werden kann. Dankbarkeit ist laut vielen Philosphen und Psychologen mehr als positives Denken, sie ist eine Haltung, Freude am Sein.

Leider ist uns in unserem Alltag die Dankbarkeit manchmal etwas abhandengekommen. Aber das muss nicht so bleiben! Wir sollten auf dieses Gefühl und den Storchendank nicht verzichten (müssen). Dankbarkeit kann uns in vielen Bereichen unseres Lebens Gelassenheit und Freude geben, wir müssen nur wiedererkennen, wofür wir dankbar sein können. Da gibt es noch vieles zu entdecken!

https://www.spektrum.de/news/sei-dankbar/1774092

https://www.psychologie-heute.de/gesundheit/artikel-detailansicht/40924-dankbarkeit-ist-nicht-positives-denken.html