Juni 2020 – Eichhörnchen sind nicht gleich Eichhörnchen

Wenn wir an Eichhörnchen denken, dann fallen uns sofort Lebensfreude, Sammeln und Sparen aber auch Schnelligkeit ein. Diese Eigenschaften werden den kleinen roten Tierchen mit dem buschigen Schwanz und Ohrpinselchen zugeschrieben. Das sind die Eichhörnchen, die wir in Europa kennen. Lateinisch lautet ihr Name: Sciurus vulgaris. Bei meinem Aufenthalt in Atlanta / Georgia war ich aber überrascht, nun lauter graue Eichhörnchen zu sehen: kein einziges Rotes. Ich war etwas enttäuscht, und dachte in meiner Unwissenheit, dass es sich um eine „Abart“ unseres Eichhörnchens handelt, da auch bei uns Eichhörnchen leicht grau sein können. Inzwischen weiß ich aber, dass es sich bei den grauen Eichhörnchen um den amerikanischen Bruder unseres Eichhörnchens handelt: dem Grauhörnchen (Sciurus carolinensis). Die gesamte Verwandschaft umfasst weltweit ca. 230 Arten.

Erste Marken mit Abbildungen von Eichhörnchen – links die erste aus 1887 (Privatpost) – rechts die erste Abbildung eines Grauhörnchens aus dem Jahre 1949

Kein Wunder, dass man daher ca. 280 Briefmarken mit Abbildungen von „Hörnchen“ finden kann. Bereits im Jahr 1887 zierte ein rotes Eichhörnchen eine Privatbriefmarke . Die nächsten wurden jedoch erst wieder in den 30iger Jahren des vorigen Jahrhunderts abgebildet. Das amerikanische Grauhörnchen wurde zum ersten Mal 1949 auf einer Briefmarke verewigt, insgesamt aber nur 8x im Gegensatz zum roten Eichhörnchen das über 100x eine Briefmarke ziert.

Unterscheidung von Rotem Eichhörnchen und Grauhörnchen – die Farbe ist trügerisch, nicht aber die Pinselohren, die Kopfform und die Schwanzfärbung (Grauhörnchen haben weiße Haarspitzen). Daher ist das rechts abgebildete Hörnchen wohl eher ein Grauhörnchen als – wie angegeben – ein rotes Eichhörnchen.

Der amerikanische „Bruder“ ist – nicht nur, dass er grau ist – auch größer und breiter, hat einen gedrungeneren Hals und Kopf und hat vor allem nicht die putzigen Pinselohren. Also man kann ihn sehr wohl von unserem Eichhörnchen unterscheiden, sollte er mal gesichtet werden. Das kann in Deutschland noch nicht geschehen. Wo er aber vorkommt, ist auf den britischen Inseln und inzwischen auch schon in Gebieten Italiens. Er ist ein Einwanderer, von tierliebenden Menschen auf den britischen Inseln im vorletzten Jahrhundert freigesetzt – aus welchen Gründen auch immer. Die Grauhörnchen haben dort inzwischen fast die ganze Population der roten Eichhörnchen verdrängt, da sie um denselben Lebensraum konkurrieren und „fruchtbarer“ sind. Und sie haben noch einen Verbündeten – dem Squirrelpox-Virus. Die Grauhörnchen können mit diesem sehr wohl umgehen, unsere Eichhörnchen sterben daran. All dies hat zur Folge, dass es auf den britischen Inseln fast keine „putzigen“ Eichhörnchen mehr gibt. Im Jahr 2018 lebten Schätzungen zufolge in Großbritannien 2,5 Millionen Grauhörnchen. Im Vergleich dazu gab es dort nur noch an die 140.000 von einst 3,5 Millionen roten Eichhörnchen.

Der Baummarder erlegt eher Grauhörnchen. Daher erholt sich die Population der roten Eichhörnchen zusammen mit der des Baummarders in deren gemeinsamem Lebensraum, dem Wald.

Aber jetzt kommt ihnen die Natur nach dem Motto „der Feind meines Feindes ist mein Freund“ zu Hilfe. Es handelt sich hierbei um den Baummarder. Seit sich dessen Bestände auf den britischen Inseln wieder erholen nimmt die Grauhörnchenpopulation ab und die Eichhörnchenpopulation zu. Warum? Das sind alles noch Spekulationen, aber man nimmt an, dass die Eichhörnchen flinker sind, sich mehr im Baum aufhalten und vor allen Dingen den Geruch des Räubers besser erkennen können, und so dem Räuber eher entkommen können.

Lebensraum Wald

Einen Wermutstropfen hat das Ganze aber: der Baummarder ist zu scheu um sich in Städten aufzuhalten, und dorthin zieht sich jetzt das Grauhörnchen zurück. An den Grenzen zwischen Stadt und Land könnte sich daher in Zukunft das Grauhörnchen auch an den Baummarder und seine Jagdweise anpassen und somit seinen „Evolutionsnachteil“ wieder ausgleichen. Heißt sie könnten sich dann wieder ausbreiten und alles fängt von vorne an……   Eigentlich ein schönes Beispiel der Evolution, wenn nicht mal wieder ganz zu Anfang der Mensch seine Finger im Spiel gehabt hätte.

Quelle: Journal of Applied Ecology, doi: 10.1111/1365-2664.13660