Dezember 2018 – Weihnachtsmarken im Wandel der Zeit

Gestern habe ich einen Bericht über Weihnachtsmärkte im Fernsehen verfolgt. Darin wurde eine ganz besondere Art vorgestellt; ich würde dies eher als Weihnachtsparties bezeichnen. In der Tat hat sich – gerade in den Großstädten – ein Teil der Weihnachtsmärkte zu lauten Open-Air-Kneipen entwickelt, wo zu weihnachtlichen Ohrwürmer getanzt und viel getrunken wird. Teils sogar mit Discjockeys als Stimmungsanheizer….. Ist das der Sinn von Weihnachten? Mal abgesehen von der religiösen Bedeutung des Festes für Christen, ist – oder war – Weihnachten ein großes Fest im Laufe des Jahres mit einer starken rituellen Bedeutung. Denn kaum ein Fest wird so von Ritualen geprägt wie dieses. Denkt nur an den Adventskranz, St. Nikolaus mit Knecht Ruprecht, Plätzchenbacken, Kerzen anzünden, Krippenbauen, Christbaum schmücken, evtl. gemeinsam in die Christmette gehen, und alles gipfelt in dem Ritual sich gegenseitig zu beschenken und gemeinsam zu essen. Zugegeben alles kann sehr anstrengend sein, bzw. ist es auch. Aber warum dann überhaupt noch dieses Ritual, warum nicht einfach feiern und Party machen, wie es zu jeder Zeit des Jahres möglich ist. Inzwischen wurde erforscht, dass Rituale ein Grundbedürfnis des Menschen zu sein scheinen. Denn sie geben Sicherheit, stiften Identitäten und stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl. Wissenschaftler glauben, dass unsere Neigung zu rituellem Verhalten möglicherweise sogar angeboren ist.

Österreichische Weihnachtsmarken im Wandel der Zeit (1949-2018)

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Daher, im Prinzip erfüllen Rituale heute immer noch denselben Zweck wie vor Tausenden von Jahren: Sie vermitteln kulturelles Wissen, stiften Identität und fördern das Gemeinschaftsgefühl. Aus diesem Grund sind Rituale zum Beispiel für Familien unverzichtbar, sagen Experten. Gerade für Kinder sind sie Erfahrungen, die für eine gesunde Entwicklung wichtig sind. Auch können sie Halt in schwierigen Lebenslagen geben und auch eine „stressmindernde“ Wirkung wird für sie gezeigt. Zumindest ich denke mit Freuden und einem gewissen Glücksgefühl an unsere häusliche Weihnacht zurück: die selbstgebastelte Krippe, das Warten auf das Christkind bei Oma, das Glöckchen, das offene Fenster durch das das Christkind gerade hinausgeflogen ist, und auch die alten Weihnachtslieder. So ist Weihnachten – bei uns zumindest – ein für mich immerwährendes Ritual, in Form einer immerwährenden Verabredung mit immer gleichem Ablauf. Hier begegnet sich die ganze Familie, feiert ihre ganz eigenen Rituale: stressmindernd (nicht immer, aber das gehört wohl auch dazu) aber vor allem gemeinschaftsstiftend.

Dennoch auch Rituale sind stetigem Wandel unterzogen. So wie sich auch die Weihnachtsmarken in der Philatelie über die Jahrzehnte gewandelt haben, z.B. in Österreich (siehe Galerie). Da ist zum einen die Tatsache, dass früher  eine Marke pro Jahr ausreichend war, heute sind es deren mindestens fünf (ähnlich der überhand nehmenden Flut der Geschenke?). Aber dadurch kann evtl. ein Wandel in der Tradition eingeläutet werden: neben den rein christlich geprägten „traditionelle“ Marken (interessant, dass die ersten Weihnachtsmarken in Österreich kein christliches Motiv hatten und die von 2018 diesen ersten wieder ähneln), gibt es solche in neuem „Design“ z.B. mit Schneeflocken, oder die Marke von 2015 – Why nachten?. Ein Zeichen, dass auch die Philatelie sich wandelt. Daher werde ich mich ab jetzt nicht mehr über die Marken mit den immerwährenden „traditionellen“ Motiven beschweren, sondern sie im Kontext des weihnachtlichen Rituals sehen, neben dem auch Marken mit „moderneren“ Darstellungen langsam im Sinne einer neuen Tradition entstehen können. Und wer weiß, vielleicht gehört ja irgendwann doch auch ein Besuch einer „Weihnachtsparty“ mit Discjockey zu dem weihnachtlichen Ritual in unserer Familie……